Drahtseilakt Wohnschutz
- Basel.vorwärts
- Jul 11
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Ein Drahtseilakt zwischen Schutz und Investition; Die Anpassung der Wohnschutzgesetzgebung in Basel-Stadt bleibt ein politischer Balanceakt. Wird zu stark an den bestehenden Bestimmungen gerüttelt, droht der Vorwurf, den Volkswillen zu missachten – und eine erneute Volksabstimmung. Gleichzeitig ist klar: In der Praxis verursacht die aktuelle Ausgestaltung des Wohnschutzes gravierende Fehlwirkungen.

Mieterfreundliche Haltung der Bevölkerung – aber zu welchem Preis?
Bei den eidgenössischen Abstimmungen im Herbst 2023 hat die Basler Stimmbevölkerung zwei vom Hauseigentümerverband lancierte Initiativen zur Untermiete und zum Eigenbedarf mit über 60 % abgelehnt. Obwohl diese Initiativen nicht direkt die kantonale Wohnschutzgesetzgebung betrafen, unterstreicht das Resultat die mieterfreundliche Grundhaltung in Basel-Stadt.
Umso dringlicher stellt sich jedoch die Frage: Wie mieterfreundlich ist ein Wohnschutz, der Sanierungen faktisch verhindert? Laut einer ersten Auswertung des Kantons ist seit der zweiten Jahreshälfte 2022 ein Einbruch bei Baugesuchen für Sanierung, Umbau oder Renovation festzustellen (zur Publikation). Weniger stark betroffen waren Projekte, die nicht unter die Wohnschutzgesetzgebung fielen – ein deutlicher Hinweis auf Investitionszurückhaltung. Gleichzeitig steigt die Zahl der «serviced apartments», während kaum neue oder bestehende Wohnungen renoviert oder umgebaut werden. Auch das Gewerbe leidet unter ausbleibenden Umnutzungen. Immerhin: Das Ziel, Leerkündigungen zu verhindern, wurde weitgehend erreicht.
Fünf Motionen im Grossen Rat
Im Jahr 2024 wurden fünf parteiübergreifende Motionen im Grossen Rat eingereicht, um die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Konkret ging es um Ausnahmeregelungen beim vermieteten Stockwerkeigentum, eine Befreiung vom Wohnschutzgesetz bei energetischen Sanierungen, um eine Entpolitisierung der Wohnschutzkommission, die bewilligungsfreie Instandstellung von Wohnungen bei einem Mietzinsaufschlag von bis zu zehn Prozent sowie eine Diversifizierung der Definition der Wohnungsnot. Die Regierung muss nun vorschlagen, wie diese Anliegen umgesetzt werden sollen.
Volksinitiative der Mitte
Zusätzlich hat die Mitte-Partei im Frühjahr 2025 eine kantonale Volksinitiative lanciert: „Ja zum vernünftigen Wohnschutz – für alle!“. Ziel ist es, den Wohnschutz auf Verfassungsstufe neu zu regeln. Die Initiative verlangt einen Schutz für tatsächlich bewohnte Wohnungen unter Ausschluss leerstehender oder neuer Wohnungen von der Bewilligungspflicht, sowie eine differenzierte Betrachtung zwischen Sanierung und Luxusmodernisierung.
Verordnungsanpassung
In der Zwischenzeit hat Regierungspräsident Conradin Cramer im Mai 2025 die Wohnschutzverordnung punktuell angepasst. Diese Anpassungen bringen kurzfristig Entlastung innerhalb des gesetzlichen Rahmens.
Wie geht es weiter?
Die Verordnung ist angepasst – mehr war auf dieser Ebene rechtlich nicht möglich. Regierungspräsident Cramer selbst betont im Interview mit «Basel vorwärts», dass nun der Grosse Rat am Zug sei, die gesetzlichen Grundlagen zu ändern. Die Umsetzung der fünf Motionen steht dabei ebenso an wie die mögliche Behandlung der neuen Initiative durch das Parlament.
Sollte die Initiative der Mitte genügend Unterschriften erhalten, wird sie dem Parlament zur Beratung überwiesen. Die Bau- und Raumplanungskommission (BRK) dürfte dabei die vorberatende Rolle übernehmen – mit der Chance, Motionen und Initiative zu einem Kompromiss zu bündeln. Möglich ist aber auch, dass es bei den aktuellen Verordnungsanpassungen bleibt.
Fazit: Politische Gratwanderung mit offenem Ausgang
Basel-Stadt steht vor einer wegweisenden Debatte: Wie lässt sich sozialer Schutz für Mieterinnen und Mieter mit der Notwendigkeit verbinden, Wohnungen zu modernisieren und Gewerberäume zu erhalten? Eine Lösung wird nur gelingen, wenn wir ideologische Gräben überwinden und ein funktionierendes Gleichgewicht zwischen Schutz und Entwicklung finden. Es bleibt ein Drahtseilakt.
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