Das Potential von Re-Use ist noch lange nicht ausgeschöpft
- Basel.vorwärts

- Aug 7, 2024
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Wir verwenden in der Schweiz aktuell noch wenig Re-Use Materialien im Bau. Weshalb dies der Fall ist und welche Tendenzen in Zukunft zu erwarten sind, erläutern wir Ihnen jetzt.

Der Bausektor verursachte 2023 rund 25% der gesamten Treibhausgasemissionen in der Schweiz. Die Wiederverwendung von Bauteilen birgt ein enormes Potenzial, um diese Emissionen und den Rohstoffverbrauch zu senken, zumal die Schweiz nur über wenige eigene Rohstoffe für Baumaterialien verfügt. Werden Fenster, Türen, Stahlträger oder Backsteine erneut genutzt, können markant Ressourcen geschont werden. Wieso verbauen wir dann in der Schweiz erst wenige Bauteile wieder?
Wirtschaftlich gesehen ist Re-Use zurzeit unattraktiv. Der Aufwand für Rückbau, insbesondere die Trennung der einzelnen Elemente, aber auch die Anpassung und Lagerung gebrauchter Bauteile, ist häufig höher als die Kosten für neue Materialien. Dies insbesondere, weil die Lohnkosten hierzulande im Verhältnis zu den Materialkosten deutlich höher sind als in anderen Ländern. Bauunternehmen sehen daher keinen wirtschaftlichen Vorteil in der Wiederverwendung von Baumaterialien. Hier bräuchte es Subventionen oder Steuervergünstigungen für Projekte, die verstärkt auf Re-Use setzen, zum Beispiel im Rahmen des CO2-Gesetzes. Darüber hinaus könnten Förderprogramme die Entwicklung von Technologien unterstützen, die den Rückbau und die Wiederverwendung von Bauteilen effizienter und kostengünstiger machen.
Architektinnen und Architekten, Bauunternehmerinnen und
-unternehmer so wie Bauherrinnen und -herren haften für die verbauten Materialien. Für sie können wiederverwendete Materialien deshalb ein enormes Haftungsrisiko darstellen. Was, wenn der «alte» Stahlträger doch nicht mehr hält? Oder die Backsteine am Ende eine zu kurze weitere Lebensdauer haben? Es gibt zurzeit in der Schweiz keine Standards und Normen für Re-Use-Bauteile, welche die Mindestanforderungen an Qualität und Sicherheit klar definieren. Solche Normen und Standards sowie ein Zertifizierungssystem würden die Marktakzeptanz vermutlich deutlich erhöhen und den Einsatz gebrauchter Baumaterialien erleichtern.
Im Baubewilligungsprozess werden wiederverwendete Materialien neuen gleichgesetzt. Diese entsprechend aber oft nicht den heutigen Standards, was wiederum zur Folge hat, dass Baubegehren aufgrund nicht der Norm entsprechenden Materialien abgelehnt werden. Hier gäbe es Ansatzpunkte, um die Verwendung von «alten» Materialien zu fördern, indem die Anforderungen angepasst werden.
Neben wirtschaftlichen und rechtlichen Hindernissen ist es im Moment in der Schweiz auch schwierig, die benötigten Bauteile zur richtigen Zeit zu finden. Mehr und grössere Bauteile-Plattformen mit Echtzeitbeständen könnten Abhilfe schaffen. Zugleich braucht es ein Umdenken im Planungsprozess. Anstatt Bauteile zu bestehenden Entwürfen zu suchen, könnten Entwürfe an verfügbare Baumaterialien angepasst und damit zur Verfügung stehende Baumaterialen verbaut werden. Unabhängig vom Planungsprozess ist die Logistik eine grosse Herausforderung. Es braucht eine effiziente Infrastruktur für den Transport und die Lagerung der Materialien. Da der Rückbau von Bauteilen und deren Einbau in neuen Projekten zeitlich oft nicht zusammenfallen, sind geeignete Lagerkapazitäten erforderlich. Insbesondere in der dicht besiedelten Schweiz, wo Lagerflächen begrenzt sind, stellt dies eine besondere Herausforderung dar.
Re-Use steckt in der Schweiz also noch in den Kinderschuhen. Mit angepassten Normen und Standards sowie gezielter, kantonaler Förderung könnten wir dennoch gesetzliche Grundlagen schaffen, damit mehr bestehende Baumaterialien in neuen Gebäuden verwendet, die Treibhausgasemission reduziert und die Ressourcen geschont werden.




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